IADS wird derzeit von einer Expertengruppe Holzschutzsachverständiger in der Praxis auf Rahmenbedingungen und Anwendungsmöglichkeiten getestet
Dem Holzschädling auf der Spur
Insect Activity Detection System
Akustisches Aktivitäts-Detektions-System für holzzerstörende Insekten
Ein Forschungsverbund unter der Leitung des Fraunhofer-Instituts für Holzforschung WKI hatte bereits über sein Forschungsprojekt „Insect Detect, Detektion aktiver Schadinsekten im Holzhandel“ in verschiedenen Fachzeitungen und in DpS-Online 29.07.2022 berichtet (siehe https://schaedlings.net/fachwissen/newsletter-artikel/abgehorcht-knabbert-da-wer/). Mit Hilfe eines mobilen Messgeräts mit Sensor und entsprechender Software wurde nachgewiesen, dass die Körperschallemission aktiver Insektenlarven visualisierbar gemacht werden kann (Becker et al. 2020). In der Vergangenheit wurde bereits mehrfach versucht, die Geräusche von fressenden Larven im Holz zu detektieren. Die Pionierarbeit leistete Pallaske (1984). Schon länger im praktischen Einsatz ist der „Wood Worm Detector“ (Creemers 2012, 2015) Neben einem sogenannten „Bajuphon“ (mündl. Hinweis Plarre 2022) gab es weitere unterschiedliche Geräte, mit denen die Fraßgeräusche am Holz akustisch verstärkt wurden. Bei Larven vom Hausbock, die man teilweise schon ohne technische Hilfe hören kann, kann das funktionieren, bisher fehlte jedoch eine Technik zum Nachweis der teilweise nur wenige Millimeter großen Larven, wie z.B. Anobium punctatum oder Lyctus brunneus, im Holz. Deren Geräusche können nicht als Luftschall wahrgenommen, jedoch mit einem „elektronischen Stethoskop“ auch über längere Messzeitintervalle (Minuten bis Tage) registriert werden. Neben einem stationären Gerät für das Labor, liefert eine mobile Version auch gleichwertige Ergebnisse.
Die Schallemissionsanalyse ist eine vielfach anwendbare akustische Mess- und Prüftechnik, bei der Körperschall in einem Frequenzbereich von 20.000 Hz bis 2.000.000 Hz gemessen und am Computer visuell dargestellt wird. Fressende Larven durchtrennen unter Spannung stehende Holzfasern. Dabei entstehen hochfrequente Schallimpulse, die im genannten Frequenzbereich nicht vom Menschen gehört, aber gut und störungsfrei gemessen werden können, weil Störgeräusche (Sprache, Maschinen) meist niederfrequenter sind. Über einen speziellen Schallemissionssensor wird der Körperschall am Holz gemessen, wobei die Fraßgeräusche der Schadinsekten als kleine Punkte (sog. Hits) in einer Zeit-Intensitäts-Grafik dargestellt werden (Foto 1). Kriterium für Larvenaktivitäten ist jeweils die Impulsrate, wenn diese z.B. (je nach eingestellter Empfindlichkeit) einen Wert in der Größenordnung von 100 Hits/Stunde überschreitet. Die neue mobile Technik besteht grundsätzlich aus einem Mobiltelefon oder Tablet, einer kleinen Verstärkereinheit, dem Schallemissionssensor und Software. Der mit einem Kabel an das Messgerät angeschlossene Schallemissionssensor muss an das betreffende Holz angekoppelt werden. Die Ankopplung kann mit einer Klemme (Foto 2) oder Klebepads erfolgen.
An unterschiedlichen Probehölzern aus der Praxis und vom Labor (MPA Eberswalde), die nachweislich Lebendbefall mit Splintholzkäfer- und Hausbocklarven aufwiesen, wurde die Funktionsweise und Handhabung der mobilen Technik getestet (Foto 3).
Über die Deutsche Holzschutztagung 2022 in Dresden entstand der Kontakt zu Dr. Plinke vom Fraunhofer-Institut für Holzforschung WKI in Braunschweig. Hier konnten im August 2022 die Ergebnisse des Forschungsprojektes „Insect Detect“ und die bisherigen praktischen Erfahrungen vor Ort diskutiert und überprüft werden. Das Messverfahren wurde u.a. an befallenen Kanthözern verifiziert, indem die abschnittsweise gemessenen Impulsraten mit den nach Auftrennen der Balkenabschnitte vorgefundenen lebenden Larven verglichen wurden (Creemers et al. 2021).
Neben einem Bedarf für den Holzhandel stellte sich für die Verfasser die Frage nach weiteren praxistauglichen Einsatzmöglichkeiten. Hauptaugenmerk wurde auf Beurteilung der Befallsaktivität von holzzerstörenden Insekten in historischen Gebäuden, wie z.B. Kirchen oder Freilichtmuseen, gerichtet. Häufig stellt sich die Frage vor Ort, ob ein Holzobjekt bzw. -bauteil einen Lebendbefall aufweist und dieser bekämpft werden muss oder ob eine Bekämpfungsmaßnahme (z.B. Begasung, feuchtegeregelte Warmluft oder Heißluft) erfolgreich war.
Durch die Sachverständigentätigkeit der Verfasser konnte ein geeignetes Objekt in Ohlstadt (Oberbayern) für die praktischen Versuche gefunden werden. In der Pfarrkirche war ein Befall mit dem Gemeinen Nagekäfer bereits durch vorheriges visuelles Monitoring bekannt. Betroffen waren mehrere Objekte, wie Gestühl, Hochaltar, Antritte, Treppe und Skulpturen. Zum Testen wurden mit dem Messsystem IADS (Insect Activity Detection System) an 3 Stellen mit Ausfluglöchern der Nagekäfer ausgewählt und insgesamt 5 Messungen durchgeführt (Foto 4). Die Auswertung der praktischen Untersuchung ergab einen eindeutigen Nachweis von Lebendbefall an 4 der 5 überprüften Stellen. (siehe Tabelle 1).
Messung Nr. | Ort | Beschreibung | Ergebnis der Überprüfung |
---|---|---|---|
1 | Antritt Hochaltar Setzstufe | Befall bekannt | Befall nachgewiesen |
2 | Antritt Hochaltar Setzstufe | Befall bekannt | Befall nachgewiesen |
3 | Antritt Hochaltar Setzstufe | Befall bekannt | Befall nachgewiesen |
4 | Skulptur Chorraum | Befall fraglich | Kein Befall nachweisbar |
5 | Gestühl Seitenwange Empore | Befall fraglich/unwahrscheinlich | Befall nachgewiesen |
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Erfolgskontrolle
Durch Messungen vor und nach einer Bekämpfungsmaßnahme (hier: Komplettbegasung eines denkmalgeschützten Blockbaus) besteht neben herkömmlichen Methoden eine weitere Möglichkeit zur Erfolgskontrolle. An mehreren ausgewählten Stellen wurden von Hausbockkäferlarven befallene Hölzer mit IADS gemessen (Grafik links, oben), die erneute Messung zeigt den Erfolg der Bekämpfung (Grafik links, unten): keine Fraßtätigkeit mehr nachweisbar.
Foto und Text: Gerd Wapler
Fragestellung: Hausbockbefall erloschen?
An einem Dachwerk einer denkmalgeschützten ehemaligen Brauerei wurden zahlreiche durch Hausbockbefall verursachte Schäden beobachtet. Aufgrund des Holzalters stellte sich die Frage, ob der Befall überhaupt noch aktiv ist. Durch die Aktivitätskontrolle mit IADS konnte eindeutig Larvenaktivität nachgewiesen und bauteilgenau zugeordnet werden.
Foto und Text: Gerd Wapler
Ein denkmalgeschützter Bundwerkstadel sollte auf den Befall mit holzzerstörenden Insekten hin untersucht werden. Aufgrund der Größe, vor allem aber wegen Zeitmangel (die Instandsetzung soll im Frühjahr beginnen), waren herkömmliche Methoden zum Befallsmonitoring nicht zielführend. Anhand von 30 Messungen mit IADS war ein aktiver Befall bauteilgenau zuzuordnen. So kann die Bekämpfung in das Gesamtkonzept der Instandsetzung aufgenommen werden. Auch wenn durch die Größe des Stadels bei weitem nicht alle Bauteile gemessen weden konnten, bietet das Ergebnis eine ausreichend genaue Möglichkeit zur Lokalisierung der Befallsaktivität.
Foto und Text: Gerd Wapler
Splintholzkäfer (Lyctus sp.) hatten die Rückwand eines Kunstwerks befallen, an dem die holzzerstörenden Larven in einer Tischlerplatte (Gabun-Furnier) erfolgreich detektiert werden konnten. Nach einer rückstandsfreien Behandlung konnte die Freigabe (d.h. kein Aktivität mehr feststellbar) mittels IADS durchgeführt werden.
Foto: Stephan Biebl
Überprüfung in einer Kirche an einem Sockel (Bild) und zugehöriger Heiligen-Skulptur mit Verdacht auf den Gewöhnlichen Nagekäfer (Anobium punctatum) aufgrund Ausfluglöcher und Bohrmehl. Durch die Kontrolle mit IADS wurde keine Larvenaktivität nachgewiesen und dadurch konnte eine aufwändige Bekämpfung vermieden werden.
Foto: Stephan Biebl
Die Schallemissionsmessung zur Detektion von holzzerstörenden Insekten ist technisch möglich und in der Praxis anwendbar. Die grafische Darstellung am Computer oder mobilem Endgerät ermöglicht einen unkomplizierten Nachweis und die Dokumentation von Larvenaktivität im Holz innerhalb von wenigen Minuten.
Die deutsche Holzschutznorm beschreibt es als Methode zum „Wahrnehmen von Fraßgeräuschen Holz zerstörender Larven, ggf. mit speziellen Gerätschaften zur akustischen Detektion“ (siehe Literatur DIN 68800-4).
Die bisherigen praktischen Erfahrungen haben gezeigt, dass die beschriebene Technik für den Spezialisten ein zusätzliches Hilfsmittel bei der Beurteilung von Schädlingsaktivität sein kann, jedoch kein Gerät für den „Handwerker oder Endverbraucher“ zu erwarten ist. Grundlegende Kenntnisse und Erfahrungen mit der Lebensweise von holzzerstörenden Insekten und ausreichendes technisches Verständnis sind Voraussetzungen für die Anwendung und Auswertung mit Hilfe der Software. Siehe auch Ausblick.
Durch weitere wissenschaftliche Forschung und praktische Anwendung kann Schallemission zur Detektion von Larvenaktivität ein wichtiges Standardwerkzeug in der Sachverständigentätigkeit werden.
Derzeit arbeitet eine kleine Expertengruppe aus 8 Holzschutzsachverständigen aus ganz Deutschland im regelmäßigen Austausch an der Weiterentwicklung mit Prüfung von technischen Rahmenbedingungen.
An der HAWK Hildesheim wurde 2024 eine Masterarbeit mit dem Thema „Untersuchungen zu Anwendungsmöglichkeiten des IADS in der Restaurierungspraxis“ erstellt. Die Master-Thesis von Lisa Limmer wurde begleitet von Frau Prof. Dr. rer. nat. Dipl.-Phys. Constanze Messal und Dipl.-Ing. (FH) Stephan Biebl sowie mit Unterstützung vom Vallen Systeme aus Wolfratshausen und weiterer Experten aus der Akustikdetektion und Forschung. Die Masterarbeit wurde am 08.11.2024 auf den 34. Hanseatischen Sanierungstagen in Lübeck mit dem 1. Platz als Nachwuchs-Innovationspreis Bauwerkserhaltung an Lisa Limmer M. Sc. verliehen.
Praktische Anwendungsgebiete sind der Nachweis von lebenden Splintholzkäferlarven in Parkettböden, Larven in musealen Kunstwerken oder Trockenholztermiten in Kunstgegenständen. Möglicherweise auch bei aktiven Brotkäferlarven in historischen Büchern bei Archiven und Bibliotheken. Hierzu wurde bereits ein erster praktischer Test an befallenen Lebkuchen mit Brotkäferlarven erfolgreich absolviert und auf der IADA-Tagung 2023 in Leipzig/Halle von Dr. Pascal Querner und Stephan Biebl präsentiert.
Termin | Ort | Veranstalter / Thema | Referent/in | Details |
27. und 28. September 2023 | Museumsdorf Cloppenburg | HSÜV / Holzschutz in der Denkmalpflege Akustische Detektion der Aktivitäten holzzerstörender Insekten | Stephan Biebl | |
10. November 2023 | Gaimersheim | Zimmerer-Handwerk Bayern / Akustische Aktivitäts-Detektion von holzzerstörenden Insekten | Stephan Biebl | |
03. Mai 2024 | Kirchstätt 1 84427 Sankt Wolfgang | Kirchstetter Denkmaltagung / Holz – (k)ein gewöhnlicher Baustoff / IADS Insect Activity Detection System | Gerd Wapler | |
13.09. September 2024 | Karlsruhe | DGMEA Jahrestagung 2024 / Akustische Detektion von eingeschleppten invasiven Insekten Schadinsekten am Holz | Stephan Biebl | Kontakt |
18.-20. September 2024 | Berlin Humboldtforum | International IPM Conference 2024 / Detection of Wood Boring Insects Larvae based on Acoustic Emission | Stephan Biebl | Informationen |
20. September 2024 | Potsdam Germany | Detection of Active Infestation by Wood-Boring Insects via Acoustic Emission Using the IADS (Insect Activity Detection System) | Lisa Limmer (HAWK Hildesheim) | 36. Conference of the European Working Group on Acoustic Emission (EWGAE 2024) |
16.-17. Oktober 2024 | Museumsdorf Cloppenburg | HSÜV / Holzschutz in der Denkmalpflege Akustische Detektion der Aktivitäten holzzerstörender Insekten | Gerd Wapler | Informationen und Anmeldung |
11.-13. Okt. 2024 | Magdeburg | DHBV Landesverband / IADS | Helge Reuss | |
15. März 2025 | Dresden | Sächsischer Holzschutzverband / IADS (Titel noch nicht festgelegt) | Stephan Biebl | Informationen |
15.-16. Oktober 2025 | Cloppenburg | HSÜV / Holzschutz in der Denkmalpflege (Titel noch nicht festgelegt) | Lisa Limmer M. Sc. (HAWK Hildesheim) | Informationen |
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Stephan Biebl / Ingenieurbüro für Holzschutz, 83671 Benediktbeuern (Bayern)
Gerd Wapler / Sachverständigenbüro für historische Bausubstanz, 84424 Isen (Bayern)
Jochen Wießner / Sachverständigenbüro für Holz- und Bautenschutz, 49688 Lastrup (Niedersachsen)
Christian Steines / SCS Bad Kreuznach, 55545 Bad Kreuznach (Rheinland-Pfalz)
Christoph Hötte / Georg-August-Universität Göttingen, 59581 Warstein (Nordrhein-Westfalen)
Robert Ott / Sachverständigenbüro für Holzschutz und Holzschäden, 72501 Gammertingen (Baden-Württemberg)
Ekkehard Flohr / Ingenieurbüro 06846 Dessau (Sachsen-Anhalt)
Katrin Bartel mit Hans-Joachim Rüpke / Sachverständigenbüro für Holzschutz Hannover (Niedersachsen)
Helge Reuss Sachverständiger für Holzschutz 06493 Harzgerode (Sachsen-Anhalt)
Frau Dr. Fennert (MPA Eberswalde), Herr Dr. Plinke (Fraunhofer WKI Braunschweig), Firma Vallen Systeme GmbH in Wolfratshausen und allen beteiligten Holzschutzsachverständigen-Kollegen aus der IADS Gruppe sowie Dr. Uwe Noldt (Lauenburg/Elbe) und Joos Creemers (Wageningen, NL).
Becker, M, Berger, B, König, S, Taddei, A, Hoppe, B, Plinke, B (2020): Innovative Diagnosemethoden zum Nachweis holzzerstörender Insekten. In: Journal für Kulturpflanzen 72(8), 453-465
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Weitere Fachliteratur und Informationen unter https://museumsschaedlinge.de/untersuchung-mit-hilfsmitteln/ Zugriff am 06.10.2024
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